Donnerstag, 19. September 2013

Nachhaltigkeits-Index in der Kritik

Er ist der grösste - fortan aber wohl auch der umstrittenste - der DJSI-Nachhaltigkeitsindex verwirrt mit den Neuaufnahmen, die in diesem Herbst erfolgten. Das ecoreporter-Portal deckt die Widersprüche auf.

Der Dow Jones Sustainability Index World (DJSI) ist der Nachhaltigkeitsindex, nach dem das meiste Vermögen angelegt wird. Dow Jones hat ihn 1999 zusammen mit der schweizerischen Rating-Agentur SAM Sustainable Asset Management entwickelt, die das Research liefert. Diese firmiert seit 2013 als RobecoSAM, nach ihrer Muttergesellschaft Robeco aus den Niederlanden. Das Universum für die DJSI World Indices bildet der Dow Jones Industrial Average Index. Er enthält die Kurse der Aktien an der New Yorker Börse mit der größten Marktkapitalisierung. Aus diesem Index werden für den DJSI alljährlich die zehn Prozent der nachhaltigkeitsbesten Unternehmen ihrer Branche ausgewählt. Diese Auswahl basiert auf Analysen der Nachhaltigkeitsexperten von RobecoSAM, die etwa den Umweltschutz und die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen bewerten.

Nun liegen die Ergebnisse der jährlichen Überprüfung der Dow Jones Sustainability Indices vor. Nach Angaben von RobecoSAM wurden 47 Werte aus dem DJSI World entfernt – etwa HSBC und Vodafone aus Großbritannien sowie Johnson & Johnson aus den USA - und 33 neu aufgenommen. Damit umfasse die Auswahl des Index fortan 333 Aktien. Die neue Zusammenstellung des DJSI World trete zum 23. September 2013 in Kraft. Zudem kürte RobecoSAM die 24 Großkonzerne, die laut ihrer Analysen in Bezug auf unternehmerische Nachhaltigkeit in ihren Industriegruppen führend sind. Hier wie bei den Neuaufnahmen für den DJSI World wurden Unternehmen ausgewählt, deren Nachhaltigkeit zumindest umstritten ist.


Das gilt etwa für die neu in den nachhaltigen Weltindex aufgenommene Bank of America, eine der größten Neuaufnahmen in den DJSI World. Sie zählt zu den größten Finanzierern von Kohlkraftprojekten weltweit und trägt damit wesentlich dazu bei, dass immer neue dieser klimabelastenden Anlagen bestehen. Aktuell begleitet die Bank of America die Ausgabe junger Aktien der indischen Coal India, die für den Kohleabbau riesige Waldgebiete rodet, für massive Umweltschäden verantwortlich ist und Hunderte Kohleminen ohne Umwelterlaubnis betreibt.  Yann Louvel von der Nicht-Regierungsorganisation BankTrack äußerte sich “schockiert” zu der Aufnahme der Bank of America in den prominenten Nachhaltigkeitsindex. Das Unternehmen stehe bei NGO’s wie BankTrack nicht nur wegen der Finanzierung von Projekten mit verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt in der Kritik, dessen Kunden seien auch für eine Vielzahl von Verstößen gegen Arbeits- und Menschenrechte verantwortlich.

Neu in den DJSI World aufgenommen wurde auch die UBS aus der Schweiz, obwohl sie die Manipulation des Libor verwickelt war, hierfür und für die Beihilfe zum Steuerbetrug seit der letzten Aktualisierung des DJSI hohe Strafen begleichen musste und auch wegen Geldwäsche gegen sie ermittelt wird.


Zu den Nachhaltigkeitsführern ihrer Branche zählen unter den Titeln im DJSI World laut RobecoSAM auch die deutschen Konzerne Allianz, Henkel, SAP, Siemens und Volkswagen. Besonders verwunderlich ist es, dass auch der Nahrungsmittelkonzern Nestle als Nachaltigkeitsbester ausgewählt wurde. Kaum einem internationalen Großkonzern werden zum Beispiel so massive Verstöße gegen Standards der internationalen Arbeitsschutzorganisation ILO so häufig vorgeworfen wie Nestle. Die Kritik von NGOs an dem Konzern und seinen Zulieferern benennt vor allem Ausbeutung und die Behinderung gewerkschaftlicher Aktivitäten, dies insbesondere in Lateinamerika. So gibt weiterhin zahlreiche Bericht über Proteste von Gewerkschaftsseite gegen die kolumbianische Tochtergesellschaft von Nestle, etwa wegen zu vieler Wochenarbeitsstunden und dem Zwang, an Feiertagen zu arbeiten. Auch soll Nestle dafür verantwortlich sein, dass bei Kakaozulieferern des Konzerns in der Elfenbeinküste unter anderem Kinderarbeit und sklavenartige Arbeitsverhältnisse vorkommen.


Im Transport-Sektor wurde Air France als Nachhaltigkeitsführer ausgewählt, obwohl gegen das Unternehmen erst vor wenigen Wochen eine hohe Kartellstrafe in Kanada verhängt wurde, das Unternehmen in diesem Jahr auch in Brasilien wegen eines ähnlichen Vergehens viel Geld bezahlen musste und es als Fluggesellschaft ein besonders klimaschädigendes Geschäftsmodell verfolgt.


SAM und Dow Jones haben eine ganze Familie von nachhaltigen Indices aufgebaut.
Viele davon basieren auf dem DJSI, wobei dann für einzelne Unter-Indices zusätzlich Ausschlusskriterien eingesetzt werden. So sind etwa im Dow Jones Sustainability World Index ex Rüstung und Waffen (DJSI World ex Armaments and Firearms) keine Aktien von Unternehmen enthalten, die in größerem Umfang Waffengeschäfte betreiben. Im DJSI führen solche Aktivitäten lediglich zu Punktabzügen in der Nachhaltigkeitsbeurteilung, aber nicht zum Ausschluss.


Quelle: ecoreporter.de

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