Montag, 22. November 2010

Riskante Fremdwährungsanlage

Geldanlagen in fremden Währungen sind risikoreich. Die Entwicklung einer Währung ist kaum voraussehbar, entsprechende Prognosen gleichen dem Lesen im Kaffeesatz. Erhöhte Vorsicht ist geboten bei Anlagen in exotischen Währungen, wobei für die geneigte Anlegerschaft hierzulande die Exotik bekanntermassen bereits beim Euro beginnt (siehe Entwicklung der vergangenen Jahre). Die folgende Geschichte aus dem Tages-Anzeiger, auszugsweise wiedergegeben, schildert ein fast schon alltägliches «Unglück» aus diesem Anlagekapitel.

«Finanzkrise: Island steht vor Bankrott.» Die Schlagzeile auf der Frontseite von «20 Minuten» springt mich sofort an. Es ist der 8. Oktober 2008. Dreieinhalb Jahre vorher, im Februar 2005, hatte mein damaliger Berater bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) meine Frau und mich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Dabei empfahl er uns aus eigenem Antrieb den Kauf einer Obligation des Staates Island. Das Rating sei gut (AA+), der Zins hoch (7%) und das Währungsrisiko tief, schwärmte P. W. Denn der Kurs der Isländischen Krone hänge von Euro und Dollar ab – zwei stabilen Währungen. Angesichts der geografischen Lage Islands zwischen Europa und den USA leuchtete mir das damals ein. Am 1. April 2005 stimmte ich zu.

Und dann das. Von der ZKB höre ich zunächst nichts. Erst zwei Tage nach den Schlagzeilen schreibt sie mir, dass sich «die Lage an den isländischen Finanzmärkten massiv zugespitzt hat». Die Isländische Krone habe dramatisch an Wert verloren und sei nicht mehr handelbar. Unterschrieben ist der Brief von B. A., «Leiter Kompetenzzentrum Anlagen». Zuvor hatte er den Leserinnen und Lesern des ZKB-Kundenmagazins noch empfohlen, die Finanzkrise durchzustehen und auf die Stabilität des «Schiffs» zu vertrauen.

Ich frage B. A. per E-Mail, weshalb die Analysten seines Kompetenzzentrums die drohende Talfahrt der Isländischen Krone nicht früher erkannt und die betroffenen Kunden rechtzeitig gewarnt hätten. Und ob die ZKB bereit sei, einen allfälligen Verlust bei der Rückzahlung der Obligation im März 2010 mitzutragen. Keine Antwort. Erst drei Erinnerungsmails und einen Monat später teilt B. A. mit, meine Anfrage werde «von den zuständigen Stellen geprüft».

Es dauert weitere zwei Monate, bis die Antwort im Januar 2009 eintrifft. Unterzeichnet ist sie von V. N., einem «Mitglied der Direktion». Er bedauert, dass ich «durch die jüngsten Ereignisse an den globalen Kredit- und Finanzmärkten betroffen» wurde. Der Absturz der Isländischen Krone sei nicht vorhersehbar gewesen. Und die Island-Obligation habe zum Zeitpunkt des Kaufentscheides meiner gewählten Anlagestrategie «Einkommen» entsprochen. «Einkommen» ist die zweitunterste von fünf Risikostufen.

Merkwürdig: Am Telefon sagt mein neuer ZKB-Berater A. G. (P. W. hatte gekündigt), er habe seinen Kunden immer empfohlen, nicht mehr als 2 Prozent ihres Vermögens in Isländische Kronen zu investieren. In meinem Fall ist es ein Vielfaches. Ich reklamiere deshalb schriftlich bei der Bank und weise darauf hin, dass mir P. W. die Obligation mit falschen Angaben zum Währungsrisiko verkauft habe. Meine Frau, die damals dabei war, bestätigt das.

Doch es hilft nichts. Die Bank antwortet: «Ihr damaliger Kundenbetreuer P. W. hat Sie auf die Spezialität der Währung und der Obligation hingewiesen und Sie über die Risiken informiert.» Das gehe aus seinen Aufzeichnungen im Computer hervor. Unglaublich: Die ZKB schickt den Brief unverschlossen an eine falsche Adresse; Postleitzahl und Ort stimmen nicht. Weil Name und Strasse richtig sind, kommt er trotzdem an.

Ich schreibe an Generaldirektor Christoph Weber und bitte um einen Auszug der über mich gespeicherten Daten. Zudem wiederhole ich meine Frage nach Schadenersatz wegen mangelhafter Kaufberatung und verspäteter Information über die Talfahrt der isländischen Währung. Weber hatte zuvor in einem Interview mit dem «Zürcher Wirtschaftsmagazin» gesagt: «Für uns ist eine proaktive Kundeninformation zentral.» Doch obwohl die ZKB erst zwei Tage nach allen Medien informiert hat, lehnt er eine Entschädigung ab: «Wir haben sämtliche Kunden unverzüglich orientiert.»

Der Datenauszug fördert Erstaunliches zutage. Unter dem «Kontaktdatum» 4. April 2005 hatte P. W. im Computer Folgendes eingetragen: «Habe Kunden über die Spezialität der Währung und der Obligation aufgeklärt. Er ist über die Risiken informiert. Habe ihm empfohlen, einen kleineren Betrag anzulegen.» Bloss: Am 4. April fand gar kein Kontakt statt. Den Auftrag zum Kauf der Island-Obligation gab ich telefonisch schon am 1. April. Das beweist die Kaufabrechnung. Seltsam auch: Unter dem Kontaktdatum 17. Februar 2005, dem Tag des persönlichen Gesprächs, findet sich kein Eintrag zur Risikoaufklärung. Gemäss Datenauszug hätte mich P. W. also erst sechs Wochen nach unserem Treffen und drei Tage nach dem Telefonat auf die Risiken hingewiesen.

Am 4. April 2009 informiere ich die ZKB schriftlich über die Ungereimtheiten im Auszug und bitte um eine Stellungnahme. Dann beginnt das grosse Warten. Nach fast vier Monaten erklärt Berater A. G. die Verzögerung auf telefonische Nachfrage hin mit umfangreichen Abklärungen im Archiv. Umso grösser dann die Überraschung, als Ende Juli 2009 endlich ein Brief eintrifft: Die Bank geht darin mit keinem Wort auf die Kritik am Datenauszug ein, sondern wiederholt nur nochmals, weshalb sie sich nicht am Verlust beteiligen könne.

Ich hake nach. Die Bank soll mir erklären, weshalb sie sich immer wieder auf den Eintrag von P. W. beruft, ich sei über die Risiken informiert, obwohl die Einträge im Computer offensichtlich sehr zufällig und schludrig erfolgten. Doch wieder geschieht fünf Wochen lang nichts. Dann, Anfang September 2009, ruft Direktor V. N. an und lädt mich zu einem Gespräch ein. Nachdem ich seit fünf Monaten auf eine Antwort warte, bin ich aber nicht bereit, mich einlullen zu lassen.

Es wird Oktober, bis die Bank meine Fragen vom April beantwortet. Sie bestätigt, dass P. W. den Eintrag erst drei Tage nach dem telefonischen Kaufauftrag gemacht habe. Das Gespräch habe an einem Freitag stattgefunden, der Eintrag am folgenden Montag. Zum Vorwurf, sie habe das Bankgeheimnis verletzt, schreibt die ZKB, meine Mutter und meine Schwester seien mit der Bekanntgabe ihrer Vermögensstände «stillschweigend» einverstanden gewesen – eine Argumentation, bei der sich vielen Juristen die Haare sträuben.

Im März 2010 wird die Obligation zur Rückzahlung fällig. Und siehe da: Das bankrott geglaubte Island zahlt das Geld zurück. Wie viel die Kronen noch wert sind, ist zunächst unklar, weil sie nicht handelbar sind. Seit kurzem weiss ich: Der Verlust beträgt aktuell etwa 70 Prozent. Der Rest liegt nun bei einer anderen Bank und wartet auf einen Kursanstieg. Der dortige Berater empfiehlt, das Geld in Island-Ferien zu investieren – «absolut risikolos».

Der Autor ist Redaktor beim Tages-Anzeiger. (Tages-Anzeiger)

Quelle: Tages-Anzeiger vom 22. November 2010

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